Aus Sicht eines Java-Entwicklers: ich habe auch den Eindruck, dass die Skills aus einem Informatik-Unistudium nicht zu den benötigten Skills im Alltag passen.
Mathe z.B. spielt nach meiner Erfahrung praktisch keine Rolle in der Entwicklung (außer in einigen Spezialgebieten). Ich muss ggf. sowas wie den zeitlichen Aufwand von Algorithmen verstehen ( O log(n) etc.), aber wenn ich dafür zwei Semester Mathe brauche, läuft irgendwas falsch.
Viel wichtiger ist Erfahrung in Projekten - und zwar großen und langlebigen, um zu lernen, wie man wartbaren Code schreibt (und was passiert, wenn man es nicht tut). Dazu natürlich entsprechende Frameworks (im Fall von Java: Spring), Testautomatisierung etc. Das ist zumindest in meinem Bereich auch seit langer Zeit recht stabil (was in diesem Ausmaß aber vielleicht eher Java-spezifisch ist). Da stellt sich für mich aber die Frage, ob das wirklich Aufgabe eines Uni-Studiums sein sollte, und nicht eher FH oder Ausbildung.
In anderen Bereichen kann ich zumindest was mit der These anfangen, dass die technologische Entwicklung schneller läuft, als die Ausbildung hinterher kommt. Beispiel DevOps/Kubernetes etc.: da steigt der Bedarf gerade stark an. Mehr Firmen setzen auf die Technologie und wollen einen entsprechenden Bereich aufbauen. Allerdings wollen sie das nicht mit jemandem machen, der/die das ein Semester in der Uni hatte, sondern mit jemandem mit Erfahrung - von denen gibt es aber nicht genug, ergo gibt es da einen Fachkräftemangel.
Widersprechen möchte ich auf jeden Fall der Behauptung, dass es an mangelnder Ausbildung im Bereich “KI” liegt. Für die Benutzung von LLMs brauche ich kein Studium - ich brauche Erfahrung um einschätzen zu können, wann die Dinger mir mal wieder Mist erzählen. Und das lerne ich nicht in Vorlesungen.
Ich denke du beschreibst das Problem, das wir in Deutschland das Universitäts-Studium als Ausbildung für die Wirtschaft zweckentfremden. Dafür ist es nicht gedacht und gemacht. Eine Universität soll forschen und ein Studium an einer Universität auf die Forschung vorbereiten.
Für die 90% der Leute die in die Wirtschaft gehen wollen macht ein Hochschulstudium oder eine Ausbildung wesentlich mehr Sinn. Wie du sagst, kein normaler Software-Entwickler braucht Berechenbarkeit und Komplexität oder 4 Module Mathe. Das kann man alles wieder vergessen nach der Klausur. In Der Ausbildung hat man gleich den Betrieb dabei und Hochschulen sind auch praxisorientierter.Also wenn ich ehrlich bin hilft das wissen um Komplexität, Schleifen-Invarianten, Algorithmen,… sehr im Code Review und Design bzw. Auch für die Definition von Testfällen. Mathe dagegen war wirklich in vielen Fällen ein Overkill. Andererseits haben wir in Mathe auch ewig auf Boolscher Algebra, Mengenlehre,… rumgeritten und gefühlt schafft dennoch keiner den Transfer in Code (bzw was bspw. SQL mit Mengenlehre zu tun hat). Ich glaube statt “Mathe braucht es nicht” wäre es wichtiger die Verzahnung von Mathe mit deren tatsächlichen Anwendungen im Gebiet herauszustellen. Dann ist’s auch nimmer so ein “trockenes” Thema und die Leute sehen eher ein, wozu man das braucht?
Wir hatten “klassische” Mathe, Statistik und dann nochmal speziell “Mathe für Informatiker” an der FH. Ersteres war scheinbar primär zum aussieben. Aber den Rest kann ich immer wieder gut gebrauchen.
War natürlich etwas überspitzt formuliert. Natürlich ist das ganz irgendwo hilfreich, die Frage ist eher ob man es in dem Umfang, in dem es an den Unis gelehrt wird, auch wirklich im Beruf braucht.
Mathe ist da ein gutes Beispiel: Muss man wirklich sämtliche Probleme selber herleiten können oder reicht es nicht, wenn ich die notwendigen Funktionen anwenden kann?
Widersprechen möchte ich auf jeden Fall der Behauptung, dass es an mangelnder Ausbildung im Bereich “KI” liegt.
Auf “KI” im Sinne von “Nutzung von KI-Werkzeugen” zu schulen ist sowieso hirnrissig, weil sich jetzt schon rumspricht dass die meisten Use Cases dafür vollkommener Quatsch sind und die Tools weder Zeit sparen noch Qualität erhöhen. Es gibt da Ausnahmen, aber die sind dann eben in spezifischen Use Cases, wo es kein Prompt Engineering braucht.
Will sagen, selbst wenn das stimmen würde (was es nicht tut), wäre die Antwort nicht, da mehr Schulungsaufwand zu betreiben, weil man annehmen darf dass etwaige Änderungen erst nach dem Platzen der Bubble Wirkung zeigen werden. Also zu spät kommen würden.
Ich mache grade ein duales Studium, Softwaretechnologie Entwicklung. Der Studiumsaspekt ist, nach einem Jahrzehnt die größte Zeit des Tages mit Programmieren und Sysadmin sein, und neben den Praxisphasen, der lästige, unnötige Klotz dabei. Quasi alles was wir da ‘lernen’, wird von mir und Kollegen sofort lachend beiseite geschoben. Und ich merke stark, wie die, die eben kein Jahrzehnt (Amateur)Erfahrung haben, strugglen, weil die nun alles in den Praxisphasen tatsächlich professionell lernen müssen.
Mir hat GitHub Copilot letztens verklickern wollen, dass 0,5 größer sei als 0,8. Ich sehe meiner Zukunft entspannt entgegen.
Das ist nur eines von vielen Beispielen. Für stupide low-level Aufgaben liefern die Teile vielleicht brauchbare Ergebnisse, Boilerplate Code lässt sich schneller schreiben, einfache Testroutinen, Plotting etc. ist zügig damit gemacht und funktioniert in der Regel auch.
Hilfreich finde ich es vor allem dabei mich zügiger durch unbekanntere APIs bzw. Libraries zu navigieren, mit denen ich nicht sonderlich vertraut bin. Da kann das schnell helfen die richtigen Zeilen zu schreiben und zu verstehen wie der Kram funktioniert.
Aber bei allem, was etwas komplexer wird, da scheitern die Teile übel. Obendrein ist die Aufmerksamkeitsspanne vergleichbar mit der eines Kleinkindes. Nach kurzer Zeit wird wichtiger Kontext vergessen und man kaut den selben Mist wieder von vorne durch, was insbesondere beim Debuggen mehr Zeit frisst als hätte man es selbst gemacht. Naja, wenigstens hat das den Effekt von einer etwas fähigeren Gummiente. Kostet nur noch mal deutlich mehr Zeit, wenn man lieber tippt, statt ins Mikro zu sprechen.
Mein Tl;Dr: Professor für ki sagt, ohne ki sind Absolventen verloren. Außerdem mehr unternehmensvertreter an die Hochschulen
Mein TL;Dr: Da haben Leute Mal wieder den fundamentalen Unterschied zwischen Studium und Ausbildung verstanden.
100%
Bin selber AE in Ausbildung und habe zwei Freunde die Informatik studieren/studiert haben.
Wir wundern uns immer gegenseitig wie es sein kann das manche Felder essenziell beim einen sind aber bei den anderen die nicht mal behandelt wurden.
Es ist in verschiedenen Branchen unterschiedlich.
Aber schlicht kann man sagen, der Fachkräftemangel ist eine Lüge.
Jein. Mein Eindruck ist, dass die Bereitschaft Menschen auszubilden, und das gilt insbesondere für Leute, die gerade aus dem Studium kommen, abgenommen hat. Wer frisch aus dem Studium kommt und noch nicht in der Form gearbeitet hat, muss eben Vieles erst noch lernen.
In einem Panel zu Ingenieurys mit IT und “KI”, damals noch eher Machine Learning allgemein als LLMs, Fähigkeiten meinte auch ein Personaler, dass die Firmen lieber Stellen ein Jahr unbesetzt lassen, als interessierte Mitarbeitys ein Jahr lang weiterzubilden. Die könnten sonst ja nach der Weiterbildung woanders hingehen.
Alle wollen irgendwo vom Markt die perfekt fertigen und einsetzbaren Mitarbeitys, aber immer weniger wollen sie ausbilden.
Die duale Ausbildung, mit Berufsschule und Betrieb gilt international als Erfolgsmodell und immer wieder kommen Leute von außerhalb um zu lernen wie das aufgebaut ist, und es in ihren Ländern umzusetzen. Und statt das System zu pflegen und wertzuschätzen bekommen Berufsschullehrer oftmals mieße Gehälter, die Materialen sind veraltet und das Geld der Azubis reicht nicht um über die Runden zu kommen.
Wer nicht ausbildet hat auch keinen Fachkräftemangel in den eigenen Berufen.
Würde es einen Mangel geben, dann würden sie ausbilden und ordentliche Löhne, Arbeitszeiten und sonstige benefits bieten. Wenn nötig auch den Azubi zu einem regulären Lohn einstellen. Bevor all das versucht wird, gibt es keinen Mangel an Fachkräften, sondern nur einen Mangel an dem Willen die Mitarbeiter gerecht zu entlohnen.
Mitarbeitende*
Berufsschullehrende*
Für einen Entwicklerjob ein Informatikstudium abzuschließen ist eh irrsinnig. Es braucht endlich eine anerkannte Programmiererausbildung. Im Arbeitsalltag eines Durchschnittlichen Entwicklers hält sich das nötige Informatik Theorie wissen echt in Grenzen. Viel wichtiger ist Wissen zum praktischen Umgang mit Tools und Technologie. Toll das Menschen mit Informatik Studium wissen wie eine Datenbank von innen funktioniert. Hilft auch sicher bei der einen oder anderen debugging session. Aber am Ende muss man wissen was nötig ist um das Teil in Produktion zu betreiben. Welche Prozesse drum herum nötig sind etc. Ein Studium vermittelt leider sehr wenig über den echten Entwickler Alltag.
Es braucht endlich eine anerkannte Programmiererausbildung
?? Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung gibt’s doch schon ewig
Für einen Standard entwicklerjob geht das schon fast zu weit.
Wie stellst du dir denn eine Programmiererausbildung vor? FIAE hat Netzwerkgrundlagen, Programmiergrundlagen, Datenbanken, Fachenglisch und ein bisschen kaufmännisches.
Ich hab FIAE hinter mir. In der Berufsschule musste man aktiv weghören um nicht zu verblöden. Ich hatte Glück das ich in meiner Behörde viele Software Projekte durchlaufen bin und da viel wichtiges für den beruflichen Alltag gelernt hab. Andere haben im Computerladen oder Systemhaus an der ecke gelernt wie man Leuten 10GBE Adapter aufschwatzt. In der aktuellen Realität sehe ich in Teams oft junior devs denen eine simplere Ausbildung mit fokus auf softwareentwicklung gereicht hätte. Alle weiteren skills basieren ohnehin mehr auf Erfahrung und Spezialisierung und kommen mit der Karriere zum senior dev oder Architekten einher.
Ich auch, bei mir war die Berufsschule gefühlt sehr einfach, aber hatte grundsätzlich schon sinnvolle Inhalte.
Wir hatten aber gemischte Klassen und die aus den Systemhäusern haben meistens IT Kaufmensch oder evtl noch FISI gelernt. Die FIAE hatten schon alle irgendeine Art von Entwicklung/Programmierung bei der Arbeit, die natürlich wesentlich für die Qualität der Ausbildung mit verantwortlich war. Das ist dann die praktische Erfahrung, die Absolventis teilweise fehlt.
Wegen der Einstellung ist so viel Software so scheiße.
“Warum ist mein n² Algo in Prod so langsam? In Dev war er schnell!”
Software ist so scheiße weil die KPIs wollen das das Release gestern fertig werden soll und der Entwickler kein ordentliches Gehalt bekommt. Deswegen sitzen schlecht bezahlte und demotivierte leute da und liefert Minimum ab, Hauptsache der PO kann seinem Chef schöne zahlen präsentieren. Quantität über Qualität.
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Ein Studium ist bei Entwicklern aber die Norm meiner Erfahrung nach. Ich mein, am Ende kannst du auch der krasseste self taught Entwickler sein, bringt dir auch nichts wenn man in der Realität stundenlang mit dem Kunden diskutiert, was er will und was alles keine gute Idee ist und man sich bei jedem Job-Wechsel in die Untiefen der “super genialen” Software-Architektur einarbeiten darf 😄
Toll das Menschen mit Informatik Studium wissen wie eine Datenbank von innen funktioniert. Hilft auch sicher bei der einen oder anderen debugging session.
Ich möchte fast mein das praktisches Wissen mit der konkreten Datenbankimplementierung viel mehr hilft, als das Wissen wie relationale Datenbanken in der Theorie funktionieren. Klar muss man wissen was Joins und Unions sind, aber das konzept ist nun wirklich nicht sehr komplex.
Wenn man wirklich richtig Datenbankperformance gehen will, dann lernt man die notwendigen Sachen sowieso.