Der ganze Rummel um seine Person ist A. Muhammad nicht ganz geheuer, als er gemeinsam mit Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht am Mittwochnachmittag vor die Kameras tritt. Doch nachdem der Taxifahrer am Rosenmontag Alexander S. mit seinem Fahrzeug verfolgte, ist das Interesse – nicht nur in Mannheim – natürlich riesengroß. Daher habe man sich für diesen Termin entschieden, bitte aber im Namen Muhammads, ihn danach wieder ins Privatleben zu entlassen, so Specht.
Und natürlich geht es auch ums Dankesagen: “Sie haben viele Menschen gerettet, wir sind stolz auf Sie”, bekräftigte Specht. “Für viele sind Sie ein Held.” So sieht sich Muhammad aber gar nicht. “Ich bin einfach ein Familienvater, ein Taxi-Unternehmer, ein Muslim, ein Mannheimer.” Als er mit seinem Taxi am Paradeplatz auf Kundschaft wartete, sah der aus Pakistan stammende Mann, der seit 15 Jahren in Mannheim lebt und seit 2017 deutscher Staatsbürger ist, den Ford Fiesta die Planken entlang rasen. Sofort habe er die Tragweite der Situation erfasst. “Ich habe von Magdeburg und München gelesen”, sagt er. “Ich habe ihn laut hupend verfolgt, um andere Leute zu warnen.”
In der Sackgasse an der Kurt-Schumacher-Brücke stellte er sein Taxi vor den Ford Fiesta – und begab sich damit in Lebensgefahr, denn Alexander S. habe die Waffe auf ihn gerichtet, erinnert er sich. Muhammad floh und handelte erneut geistesgegenwärtig: Er zog seinen Autoschlüssel aus dem Zündschloss, damit Alexander S. die Todesfahrt nicht im Taxi fortsetzen konnte. Als dieser in Richtung Jungbusch floh, kehrte Muhammad zu seinem Wagen zurück.
Er stand unter Schock, wurde mit hohem Blutdruck und Atembeschwerden ins Krankenhaus eingeliefert. Abends durfte er dann zu seiner Familie nach Hause. Warum er so gehandelt habe, will Specht wissen: “Das war einfach mein Herz.” Er habe helfen wollen. “Mannheim hat mir so viel gegeben.” OB Specht lobt: “Sie haben Zivilcourage bewiesen.”
Derweil rätseln die Ermittler weiter über das Motiv des 40-jährigen Verdächtigen. Dem Rechercheportal Exif zufolge gibt es weitere Hinweise auf einen möglichen rechtsextremen Hintergrund. Demnach war Alexander S. zumindest 2018 Teil des Netzwerks “Ring Bund”. Zu dieser Gruppe gehörten laut Exif Reichsbürger und Neonazis. Verbindungen habe es zudem zwischen bestimmten Mitgliedern des “Ring Bunds” und einem “Waffenhandelsring” gegeben.
Mit diesen Verkäufen, so Exif, sollte eine rechtsextreme Organisation aufgebaut werden. Welche Rolle Alexander S. innerhalb der Gruppierung spielte und wie lange er dort agierte, dazu fehlen weiterführende Informationen. Bekannt ist, dass der aus Ladenburg stammende Landschaftsgärtner ebenfalls 2018 nach einem rassistischen Facebook-Kommentar zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt worden war.
Die Ermittler haben dagegen derzeit keine Anhaltspunkte für ein extremistisches oder politisches Motiv. Das Landeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft Mannheim haben nach einer Mitteilung vom Mittwoch vielmehr Hinweise darauf, dass Alexander S. seit vielen Jahren psychisch erkrankt ist und sich mehrfach in Behandlung fand, im vergangenen Jahr auch stationär. Abfragen bei verschiedenen Nachrichtendiensten hätten bislang keine “extremismusrelevanten” Erkenntnisse erbracht. Die Auswertung werde fortgesetzt.
Der Mannheimer SPD-Landtagsabgeordnete und Verfassungsschutzexperte Boris Weirauch fordert von Innenminister Thomas Strobl (CDU) Aufklärung. Der Fall zeige, dass neben religiösen Fanatismus “eben auch rechtsextremistische Tatmotive Auslöser von Amokfahrten oder Anschlägen sein können”. Weirauch veröffentlichte die Stellungnahme noch vor der Mitteilung der Behörden.
Die Ermittler untersuchen auch einen Zettel, der an der Frontscheibe des Ford Fiesta entdeckt wurde. Dieser zeigt eine kryptische mathematische Formel zu Reaktions-, Brems- und Anhalteweg, außerdem ein Zeichen mit zwei Pfeilen, die nach rechts und links zeigen. Die Zahl der Verletzten hat sich inzwischen von elf auf 14 erhöht, darunter befindet sich auch ein zweijähriges Kind. Vier Personen werden aktuell noch in Kliniken behandelt. Eine 83-jährige Frau und ein 54 Jahre alter Mann waren bei der Todesfahrt ums Leben gekommen.
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