Das ist für mich ehrlich gesagt überhaupt nicht klar. Ich habe mehrfach von Linken Spitzenpolitikern gehört, dass höhere Ausgaben für die Bundeswehr blockiert werden. Das ist ja quasi auch Identität der Linkspartei.

Ich will nicht mal zu 100% ausschließen, dass sie diesen Punkt als Verhandlungsmasse verstehen, aber kann sich Deutschland und Europa in der aktuellen Situation wirklich darauf verlassen, dass eine durch und durch ideologische Partei hier einlenkt?

Können wir uns das wirklich erlauben? Haben wir überhaupt die Zeit, für den monate- bis jahrelangen politischen Verhandlungskampf, den das mit sich bringen würde? Können wir uns diese Instabilität grade leisten?

Das 500 Mrd. Sondervermögen wird für Infrastruktur-Investitionen zusammengestellt. Das es natürlich auch Wachstumseffekte haben wird, wenn massiv staatliches Geld in Bauunternehmen gepumpt wird, ist eine Konsequenz daraus (und ehrlich gesagt braucht unsere Wirtschaft das auch), aber ist nicht oberstes Ziel der Maßnahme.

Natürlich geht es auch darum, die Infrastruktur auch mit Blick auf militärstrategische Aspekte hin wieder brauchbar zu machen. Das ist aber auch notwendig, denn im Kriegsfall wäre Deutschland vermutlich das zentrale Aufmarschfeld und Logistikzentrale für die Bündnisländer (Note: ich sage explizit nicht Nato).

Trotzdem wird explizit auch in öffentliche Infrastruktur massiv Geld fließen. Das wurde ja in der Pressekonferenz als Grundlage für die Abmachung so angekündigt. Also werden auch Schulen, Kitas usw. hiervon profitieren.

Ganz ehrlich, das wird, sofern es so durch geht, ein massiver Gewinn für dieses Land und dann ist mir ehrlich gesagt auch komplett egal, welche Partei es durchsetzt.

Die Grünen sind an überhaupt nichts Schuld. Die Schuld liegt bei der CDU, die die Reform der Schuldenbremse zunächst in Geiselhaft genommen hat und bei der Linkspartei, die sie nun bzgl. Wehrausgaben in Geiselhaft nimmt.

Die Grünen haben die konstant pragmatischste Einstellung zu diesem Thema.

Es geht nebenbei nicht um eine Billion für Verteidigung, du kennst ja nicht mal die grundlegenden Fakten.

Ja, die Schuldenbremse abzuschaffen, ist pragmatische Realpolitik. Aber Jan van Aken, und ich wiederhole mich erneut, mehrfach gesagt, dass die Linkspartei dem nicht zustimmen wird, wenn das auch erhöhte Militärausgaben bedeutet.

Jo, und damit sind wir dann wieder am Anfang angekommen. Lieber das Land abbrennen lassen als sich politisch einen Zacken aus der Krone zu brechen. Du sagst ja selbst, dass es mit den Linken unmöglich wäre.

Weltfremd und brandgefährlich. Wir müssen in diesen Zeiten pragmatisch sein oder wir werden untergehen.

Es geht mir auch nicht darum, zu argumentieren, dass wir alleine kämpfen würden. Aber es würde - stand jetzt - unter Garantie mehrere große Länder geben, die sich raushalten würden. Grade wenn die USA raus sind.

Und es geht mir auch nicht darum, zu sagen, wir wären dann chancenlos gegen Russland. Aber es würde ein langer und sehr blutiger Krieg werden. Europa fehlt es an Munition und den strategischen Grundfähigkeiten (Flugabwehr, Echtzeit Schlachtfeldüberwachung, Langstreckenradar, Tankflugzeuge, Transporthubschschrauber).

Das ist fast alles durch Amerika in Europa. Wenn die das abziehen, und das werden sie mMn ziemlich sicher, stehen wir blank da. Ist ja schön, das wir zB in Spanien noch Panzerbrigaden haben - aber ohne Transportmöglichkeiten um diese an die Front zu verlagern, ist das halt nur ein theoretisches Kraftpotenzial. Und so verhält es sich aktuell mit vielen europäischen Streitkräften.

Ne, ich will es von dir hören. Wie soll das funktionieren?

Das ist falsch, die 600 Milliarden Investitionsbedarf sind explizit auf einen 10-jährigen Investitionsplan angesetzt. Lies gerne mal die IW Studie, ist quasi Grundwissen, wenn wir dieses Thema diskutieren wollen.

Und nochmal, genau das, was die Grünen im Wahlprogramm hatten, soll auch im neuen Bundestag umgesetzt werden. Explizit die Schuldenbremse für Investitionsausgaben soll reformiert werden. Wenn die Linken das nicht durchgehen lassen, dann muss man leider so hart sagen, dass es ihr politisches Versagen wäre.

Nein, ich frage dich wie du ein Gesetz zur Erhöhung der Militärausgaben gegen eine Partei durchbringen willst, deren politische Identität es ist genau so etwas zu verhindern.

Wie denn?

Wovon genau redest du? Was soll entschärft werden?

Wo du mich in deinem anderen Kommentar noch so süffisant naiv genannt hast, kann ich den Ball an dieser Stelle einfach mal zurückspielen. Der Pazifismus ist eine der absoluten Grundsäulen der Linkspartei und steht, das wurde jetzt mehrfach schon überdeutlich in jedes Mikrofon zu Protokoll gegeben, nicht als Verhandlungsmasse zur Disposition.

Jan van Aken wird von diesem Punkt nicht abrücken, bevor der Russe vor Frankfurt (Oder) steht.

Die einzige Option ist, dass die Parteien der Mitte jetzt pragmatische Realpolitik machen. Aber wird halt schwierig mit Leuten wie dir.

Joa, ich stimme dir halt in keinem einzigen Punkt zu. Ist erstaunlich für mich, dass selbst angesichts der aktuellen Weltlage so viele Leute hier immer noch in ihrem politischen Schützengraben hocken. Man kann nur hoffen, dass ihr eine Minderheit seid, ansonsten wird der Laden hier bald dicht gemacht.

Manche Linken wollen halt echt lieber das ganze Land niederbrennen als dem Feind einen politischen Erfolg zu gönnen. Kann man machen, aber dann ist man halt nicht besser als ein Friedrich März.

Die generelle Strukturreform wird dann ja mit allen Parteien außer der AfD entsprechend abgesprochen sein.

Im neuen Bundestag ist jede Reform die Militärausgaben einschließt nicht machbar.

Das ist ja genau das Problem. Allein schon dadurch, dass die USA Artikel 5 nur offen anzweifeln, ist die NATO in ihrer eigentlichen Form de facto tot. Oder liegt zumindest im Sterben.

Zudem gibt es in der Öffentlichkeit ein großes Missverständnis darüber, was Artikel 5 eigentlich genau bedeutet. Ich empfehle da immer, den Passus einfach mal selbst zu lesen. Der Artikel verpflichtet nicht jeden Staat dazu, in den Krieg ziehen zu müssen. Sondern eben nur, in der Form Hilfe zu leisten, “die sie für erforderlich halten.”

Historisch hat sich das halt als Sicherheitsgarantie für uns dargestellt, weil die USA bisher immer eine militärische Intervention garantiert haben und da wären dann auch fast alle bedeutenden NATO Mitglieder mitgezogen. Diese Realität hat sich komplett geändert.

Und die Türkei wird für das Baltikum sterben, wenn die USA den Bündnisfall verweigern, ja?

Wie dicht am Kopf muss der Schuss eigentlich noch vorbei gehen, bis man ihn hört? Wir befinden uns in der größten europäischen Krise seit dem zweiten Weltkrieg und die gesamte Bubble hier möchte die staatliche Handlungsfähigkeit aufs Spiel setzen um parteipolitisches Klein-Klein auszuschachern.

Ja, mir ist klar das die Union genau das gleiche getan hat und es wahrscheinlich jederzeit wieder tun würde. Von “meiner” Partei erwarte ich aber ein verantwortungsbewusstes, staatstragendes Auftreten, das der geopolitischen Situation gerecht wird und kein “wie du mir, so ich dir”. Ich glaube, bei vielen sehr privilegierten Menschen ist immer noch nicht angekommen, dass diese Legislaturperiode vielleicht die letzte Patrone ist, die unsere Demokratie noch hat.

Und jetzt lass uns von der demokratietheoretischen nochmal auf die inhaltliche Ebene gehen. Inwiefern sind die hier vorgebrachten Punkte lascher als das Wahlprogramm der Grünen?

Zur Disposition steht eine de facto Abschaffung der Schuldenbremse für die Verteidigung sowie ein Sondervermögen, mit dem beinahe der gesamte Investitionsstau in Deutschland (500 von 600 Mrd, laut IW und Institut für Makroökonomie) auf einen Schlag gegenfinanziert wäre. Das ist vor dem Hintergrund der letzten Jahre fast unvorstellbar viel.

Zusätzlich soll dann noch die Reform der Schuldenbremse für Investitionen kommen. Wobei man hier sogar einen Case dafür machen könnte, das eine auf 10 Jahre festgelegte Schuldenregelung für Investitionen fast noch besser ist, da sie nicht jährlichen Haushaltsverhandlungen unterliegt sondern langfristige Planungssicherheit gibt. Aber egal, es soll ja sogar beides kommen! Die Grünen hatten im Wahlkampf eine Reform für Investitionen und Verteidigung gefordert und das werden sie bekommen, plus läppische 500 Milliarden on top.

Worüber reden wir hier bitte?

Alles richtig und ich finde das Verhalten der Union hierzu auch ekelhaft. Trotzdem braucht das Land dringend diesen Befreiungsschlag. Wenn man aktuell davon redet, dass die kommende Regierung zum Erfolg verdammt ist, trifft man den Kern der Sache.

Ich bin weder CDU noch SPD Wähler, aber wenn diese Regierung scheitert, stehen wir in maximal 4 Jahren vor existenziellen Fragen was unsere Demokratie betrifft. Daher unterstütze ich dieses Vorhaben komplett.